Interview mit Vermibus

Ausstellung “CONTEXT”

Die ersten Arbeiten des zeitgenössischen Künstlers VERMIBUS tauchten um 2011 auf Plakatwänden in Berlin auf. Großflächige Werbeplakate, in denen der Künstler Schönheitsideale hinterfragt und die in ihrer künstlerischen Interpretation eine faszinierende und zugleich verstörende Kraft entfalten. Vermibus‘ Arbeiten sind immer eng mit dem Kontext verbunden, in dem sie wahrgenommen werden. Seine Werke begegnen uns meist zufällig in der Stadt und überraschen uns durch ihr unerwartetes Auftauchen. Gerade diese kontextuelle Frage steht im Mittelpunkt der aktuellen Ausstellung „Context – Disturbing Beauties by VERMIBUS“, die derzeit im POP KUDAMM präsentiert wird. 10 Jahre nach seinen ersten Arbeiten und im spannenden Kontrast des Kurfürstendamms entwickelt seine Kunst eine eigene Dynamik und lenkt den Blick nicht nur auf Mode und Lebensstile, sondern auch auf die Entwicklung und Aneignung urbaner Räume.

Wir hatten das große Vergnügen, VERMIBUS bei seiner Ausstellung zu treffen und mit ihm über seine Inspiration und Arbeit sowie über Schönheit, urbane Orte, Street Art und NFTs zu sprechen.

Pop Kudamm:Hallo Vermibus, seit mehr als 10 Jahren erkundest du mit deinen kreativen Positionen die Straßen Berlins. Was hat dich dazu inspiriert, deine Kunst mit Hilfe von Werbe- und Modefotografie zu schaffen, und wie hat alles angefangen?
Vermibus:Seit ich mein Gedächtnis benutzen kann, mache ich Graffiti und drücke mich damit im öffentlichen Raum aus. Als ich zu studieren begann, war ich sehr kreativ und kommunikativ veranlagt, und die Werbung war die bessere Option, denn ein Leben als Künstler war eine Idee, die keiner meiner Professoren vorgeschlagen hatte. Kurz bevor ich nach Berlin zog, arbeitete ich als Fotograf für eine Werbeagentur und machte in meiner Freizeit immer noch Graffiti. Sowohl die Werbewelt als auch die Arbeit im öffentlichen Raum gehörten also zu meinem Arbeitsalltag.

Gerade als ich während meines Urlaubs in Berlin war, wurde ich aus meinem Fotografenjob gefeuert, weil ich nicht die Schöhnheitsideale bediente, die die Agentur für alle, die in der Öffentlichkeit stehen, verlangte, also beschloss ich, in Berlin zu bleiben und herauszufinden, wie es weitergeht. Nur durch Zufall, aber beeinflusst durch meinen Hintergrund und dieses schockierende Ereignis, wurde Vermibus geboren.

Vernibus Exhibition CONTEXT at POP KUDAMM

Ich sehe Inspiration wie eine Tasche
in die man seine Lebenserfahrungen einpackt

Pop Kudamm:Was inspiriert dich bei deiner Arbeit?
Vermibus:Für mich ist Inspiration wie eine Tasche, in die man seine Lebenserfahrungen hineinlegt, das, was man sieht, die Gespräche, die man mit Menschen führt, die Filme, die man sieht, die Musik, die man hört… Alles verschmilzt auf eine Art und Weise, die wir nicht ganz verstehen, und formt, wer man ist. Und das spiegelt sich natürlich auch in der Arbeit wider, die man produziert.
Pop Kudamm:Sie sind in Spanien geboren. Was hat Sie nach Berlin gezogen und was reizt Sie an dieser Stadt?

Vermibus:Als ich von Spanien nach Berlin zog, war ich angetan von der Freiheit, die mir die Stadt bot, von den niedrigen Lebenshaltungskosten und von der großen Straßenkunstszene, die es in Berlin gab.

Vermibus Gemälde im POP KUDAMM

Pop Kudamm:Was hältst du von Street Art in Berlin und speziell am Kurfürstendamm?

Vermibus:Ich denke, die Szene ist ziemlich aufgelöst. Es gibt wirklich nur wenige aktive Straßenkünstler und am Kurfürstendamm ist die Straßenkunst völlig verschwunden. Leider gibt es in einer hoch kommerziellen Gegend wie dem Kurfürstendamm keinen Raum für die öffentliche Nutzung. Deshalb ist es gut, dass wir meine Arbeit mitten auf dem Kudamm zeigen können, mit einer so starken und entgegengesetzten Botschaft zu dem, was die Leute hier sehen.
Pop Kudamm:In Ihrer Arbeit und Ihrer aktuellen Ausstellung geht es darum, Schönheitsideale und das grenzenlose Wachstum durch Konsum zu hinterfragen. Warum interessiert Sie dieses Thema?
Vermibus:In meiner Arbeit geht es hauptsächlich um den Menschen und seine Beziehung zur Schönheit, zum öffentlichen Raum und zur Werbung. Was mich an diesen Themen interessiert, ist der Einfluss, den Symbole auf den Menschen haben, und natürlich, wie unterschiedliche Verwendungen dieser Symbole unterschiedliche Emotionen und Verhaltensweisen hervorrufen. Meine Arbeit zielt darauf ab, eine alternative Vision zu dem zu vermitteln, was wir auf Werbeflächen zu sehen gewohnt sind, hoffentlich mit einem ethischeren und menschlicheren Ergebnis.

If you cannot Forgive, you can Kill

Vortrag mit dem danischen Kriegsfotografen Jan Grarup mit Einblicken in seine aktuellen Reise in die Ukraine

Golfkrieg. Der Genozid in Ruanda. Die Belagerung von Sarajevo. Der Krieg in Tschetschenien, Dafur, Somalia, Irak, Syrien. Und zuletzt: der aktuelle Krieg in der Ukraine. Mit seinen Fotografien lenkt der dänische Kriegsfotograf Jan Grarup seit über einem viertel Jahrhundert unseren Blick auf die Konfliktregionen unserer Welt und dokumentiert die humanitären Krisen.

Im Fokus seiner Arbeit stehen die Menschen, die unmittelbar unter den humanitären Katastrophen leiden und von Hunger, Krieg und Vertreibung betroffen sind. Ehrlich, intensiv und mit viel Empathie erzählt er die Geschichten derjenigen, die machtlos sind und selbst keine Stimme haben, und reflektiert hierüber zugleich seinen Glauben an Fotojournalismus als Werkzeug, mit dem Erinnerungen dokumentiert und Zeitzeugnisse eingebracht werden, um Veränderungen zu bewirken.

Für seine Arbeit gewann Jan Grarup acht Mal den World Press Photo Award, erstmals 2001 für seine Berichterstattung über den Krieg im Kosovo. Grarup ist einer der Mitgründer der Bildagentur Noor und hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt „And Then There Was Silence“, das bildgewaltig und fünf Kilo schwer seine Fotografien seit den 90er Jahren versammelt.

Im Rahmen der Formatreihe Space Studio war Jan Grarup am 31. Mai 2022 als Redner zu Gast bei POP KUDAMM. Unter dem Titel „IF YOU CANNOT FORGIVE, YOU CAN KILL.” hielt er einen Vortrag über seine Reise in die Ukraine und gab mit seinen dabei gezeigten Bildern ein fotografisches Zeugnis über die aktuelle Lage in Kiew, Charkiw, Mariupol.

Im Anschluss an den Vortrag fand ein von Nadin Heinich moderiertes Q&A statt, in welchem Jan Grarup die Fragen der Gäste beantwortete und einen persönlichen Einblick in die Arbeit eines Kriegsfotografen gab.

Podiumsgespräch mit Jan Garup im Pop KudammJan Garup im POP KUDAMM

Mehr Informationen zu Jan Grarup und seine fotografischen Arbeiten unter:

www.jangrarup.photoshelter.com
www.madebygrarup.com

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